Heinz Drewes

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Heinz DrewesHeinz Drewes
     Pressefoto vom 01.04.1937. Mit freundlicher Genehmigung der Helmut Weitze Antiquitäten AG, Hamburg, vormals Presse-Bild-Zentrale Breamer und Güll
Geboren 24. Oktober 1903 (Gelsenkirchen)
Gestorben 16. Juni 1980 (Nürnberg)
Berufe Dirigent, Musikwissenschaftler, NS-Funktionär



Heinz Drewes war ein deutscher Dirigent, Musikwissenschaftler und NS-Funktionär. Während der Zeit des Nationalsozialismus war er der Leiter der Musikabteilung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda. Des Weiteren übernahm er die Leitung der Reichsmusikprüfstelle, der Reichsstelle für Musikbearbeitungen, war Vorsitzender der Auslandsstelle für Musik und des Amtes für Konzertwesen und zugleich einer der beiden Vizepräsidenten der Reichskulturkammer.

Biographie

Leben bis 1945

Heinz Drewes wurde am 24. Oktober 1903 in Gelsenkirchen in Westfalen geboren. Er legte sein Abitur 1922 ab und begann im selben Jahr sein Studium an der Humboldt-Universität in Berlin, wo er die Fächer Philosophie, Kunstgeschichte und Musikwissenschaft belegte. Zu seinen Lehrern gehörten Johannes Wolf, Hermann Abert, Curt Sachs und Georg Schünemann. Nebenbei beschäftigte er sich eingehend mit der Musik, da er einen Beruf als Kapellmeister anstrebte. Dazu besuchte er den Kompositionsunterricht von Wilhelm Klatte und Heinz Tiessen und war Schüler der Kapellmeister Rudolf Krasselt (Hannover) und Ernst Praetorius (Weimar). Außerdem soll Drewes ein pianistisches Talent besessen haben, das er unter der Anwesenheit von Ferruccio Busoni unter Beweis gestellt haben soll. Schließlich promovierte er bei Theodor Kroyer in Köln mit einer Arbeit über Maria Antonia Walpurgis als Komponistin zum Dr. phil. Schon während seines Studiums arbeitete er an verschiedenen Theatern und Opernhäusern als Kapellmeister. 1924 nahm er eine Anstellung am Stadttheater in Liegnitz an, ein Jahr später war er am Leipziger Opernhaus als Assistent tätig. Ab dem Jahr 1926 hatte Drewes am Deutschen Nationaltheater in Weimar die Stelle als Kapellmeister inne, bevor er Ende der 1920er Jahre aufgrund von Sparmaßnahmen entlassen wurde. Auf Empfehlung des stellvertretenden Gauleiters Dr. Hans Severus Ziegler wurde Drewes als Kapellmeister am Landestheater Altenburg in Thüringen berufen, wo er eine Ortsgruppe der Organisation Kampfbund für deutsche Kultur und später die NS-Kulturgemeinde gründete. Ab 1932 übernahm er innerhalb des Landestheaters, zunächst den Posten des Generalmusikdirektors, um ein Jahr später Generalintendant zu werden. Diese Stellung behielt Drewes vier Jahre lang. Während dieser Zeit schrieb er Artikel für die Publikationen Der Nationalsozialist und Völkischer Beobachter.

In seiner Zeit in Thüringen kam er schnell in Berührung mit der NSDAP. Unter anderem verkehrte er in diesem Zeitraum mit Paul Sixt, Karl Fischer und Ernst Nobbe. Aus einem Brief von Goebbels an den Staatssekretär Walther Funk geht hervor, dass Heinz Drewes im Jahr 1930 der NSDAP beigetreten ist (Nr. 847.794).

Am 1. Februar 1937 delegierte Joseph Goebbels Drewes zum Leiter der Abteilung X (Musik) im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, nachdem sich dieser am 24. Oktober 1936 vorstellte und am 4. November die Stelle zugesprochen bekam. Drewes sollte laut Goebbels das gesamte deutsche Musikleben führen und für diese bedeutungsvolle Tätigkeit erhielt er eine Vergütung in Höhe von 1800 Reichsmark. Am 1. März 1937 erhielt Drewes weitere Ämter zugesprochen: Vizepräsident und Mitglied des Präsidialrates der Reichsmusikkammer. Gleichzeitig wurde er von Goebbels in den Reichskultursenat berufen. Ein Jahr nachdem Drewes seine Ämter antrat, brachte er den Vorschlag der Einrichtung einer Reichsmusikprüfstelle ein, die dafür sorgen sollte, dass unerwünschte und schädliche Musik aus dem Umlauf gebracht werden sollte. Goebbels stimmte zu und ernannte Drewes als Leiter dieser Abteilung, Stellvertreter war Fritz von Borries. Das Resultat der Arbeit dieser Prüfstelle waren vier Listen unerwünschter und schädlicher Werke, die zwischen dem 1. September 1939 und 15. November 1942 in Druck erschienen. Ab dem Jahr 1939 wurde Drewes Vorsitzender der Auslandsstelle für Musik und ab Mai 1940 Leiter der Reichsstelle für Musikbearbeitungen. Außerdem übernahm er im selben Jahr den Vorsitz des Amtes für Konzertwesen, welche vormals der Reichmusikkammer untergeordnet war. Am 10. April 1942 wurde die Deutsche Sibelius-Gesellschaft e.V. gegründet und die Stelle des Präsidenten übernahm Drewes. Schon seit 1937 gab es immer wieder Auseinandersetzungen zwischen Heinz Drewes und Peter Raabe, dem Vorsitzenden der Reichsmusikkammer.

Eines der großen Projekte des Propagandaministeriums lag in den Händen Drewes‘, der die Organisation der Reichsmusiktage übernahm. Diese fanden in Düsseldorf zwischen dem 22. und 29. Mai 1938 parallel zur Ausstellung Entartete Musik statt. Hierfür nahm Drewes, auf Bitten von Goebbels, Kontakt mit Richard Strauss auf, um diesen zu überzeugen ebenfalls bei der Veranstaltung teilzunehmen. Ein fortlaufender Austausch und Verkehr waren bis 1944 die Konsequenz.

Trotz seiner regen Tätigkeit in der kulturpolitischen Szene, hat Drewes das Dirigieren nie gänzlich aufgegeben. Er führte öfter Strauss' Werke, wie zum Beispiel die Oper Elektra und Wagners Opern (Tannhäuser, Die Walküre, Siegfried, Der Sängerkrieg auf der Wartburg) auf. Auch Uraufführungen brachte er auf die Bühne (Bruckners V. Symphonie). Drewes trat in den großen Städten Europas auf und dirigierte zahlreiche Orchester. Vor allem als Interpret deutscher Musik wurde er in Italien sehr geschätzt. Einige seiner Auftrittsorte sind Düsseldorf, Stuttgart, München, Wien, Neapel, Bukarest und Athen.

Im Herbst 1944 schied Drewes aus seinem Amt als Leiter der Musikabteilung innerhalb des Reichministeriums für Volksaufklärung und Propaganda aus, nachdem dieses aufgelöst wurde.

Im Herbst 1944 meldete sich Drewes freiwillig zur Wehrmacht und verbrachte seine Zeit als Soldat in Ungarn.

Entnazifizierungsverfahren

Nachdem Heinz Drewes in einem ersten Verfahren am 28. April 1948 von der Nürnberger Spruchkammer V bereits amnestiert wurde, beschloss dieselbe Kammer am 25. Oktober 1949 das Verfahren gegen Drewes aufgrund neuer Zeugenaussagen wieder aufzurollen. Das Verfahren gegen Drewes wurde am 05. Januar 1950 eingestellt und Drewes als Mitläufer eingestuft. Weil dieser jedoch im Krieg verletzt worden war und als Schwerkriegsbeschädigter der Versehrtenstufe III angesehen wurde, erhielt er eine Weihnachtsamnestie (siehe Schreiben an Generalkläger Herf, 13.12.1948).

Kurz nachdem das erste Verfahren abgeschlossen wurde, erschienen neue Beweismittel gegen Drewes, die nach einer Wiederaufnahme des Falles verlangten (siehe W. Schmidt, 13.12.1948). Bei den Beweisen handelt es sich dabei um Aussagen von Klara Ohlekopf (Witwe von Richard Ohlekopf), dem Komponisten Julius Kopsch und dem Komponisten Kurt Rowinsky. Frau Ohlekopf wirft Drewes vor, er hätte ihren Mann dafür ermahnt, dass er Adolf Hitlers 50. Geburtstag nicht in seiner Zeitschrift angemessen dargestellt hätte. Der Hauptvorwurf bestand darin, dass, nachdem Richard Ohlekopf am 16. August 1939 einen Artikel („Aus Mangel an Dirigenten?...“, in: Signale für die musikalische Welt) schrieb, in welchem er Drewes offen kritisierte, dieser bewusst den Verfasser des Artikels der Gestapo ausgeliefert hätte, mit dem Ziel Ohlekopf in einem Konzentrationslager unterzubringen (siehe Ohlekopf, 30.07.1949). Ein Brief Drewes an Hans Hinkel (Vizepräsident der Reichskulturkammer) bestätigt die Darstellung teilweise (siehe Drewes, 01.09.1939). Der Komponist Julius Kopsch beschuldigt Drewes, die deutsche musikalische Welt streng politisiert zu haben. Konkret warf ihm der Komponist vor, Drewes habe für die Auflösung des „Allgemeinen Deutschen Musikvereins“ und des „Tonkünstlerfestes“ gesorgt. Stattdessen implementierte er die „Düsseldorfer Musiktage“, die ‚artgerechte‘ Musik und Kunst unterstützte. Ferner soll Drewes die Verleihung von Preisen an bestimmten Personen beeinflusst haben, wie der Fall Paul Linkes (Goethe-Preis-Laureat) zeigen soll. Eine weitere Beschuldigung Kopschs deutet darauf hin, dass Drewes die Auswahl der Teilnehmer und der Leitung der Delegationen für internationale musikalische Veranstaltungen und Kongressen übernahm. Drewes soll Kopsch von der Confédération Internationale des Sociétés d’Auteurs et Compositeures in Paris ausgeschlossen haben und ihm mit der Inhaftierung im Falle der Wiedersetzung gedroht haben. Zu guter Letzt, soll Drewes Anordnungen gegeben haben, laut deren unzählige wertvolle Musikinstrumente aus Frankreich illegal auf deutschem Boden gebracht worden wären. Diesen detaillierten Beschreibungen der Abläufe in der politischen Welt um Drewes herum folgen jedoch keine konkreten Beweise, da Drewes sich anscheinend sehr bedeckt hielt (Kopsch, 24.09.1949). Der Komponist Kurt Rowinski behauptete, dass Drewes sich selbst als „fanatischer Nationalsozialist“ beschrieben haben soll und sämtliche Gesetze mit mehr Strenge durchsetzte als nötig. Als Beispiel dafür führte Rowinski aus, dass Drewes auch Schalplatten verbot, auf denen Orchester zu hören waren, die ein jüdisches Mitglied hatten (Rowinski, 01.09.1949).

Infolge dieser Beweissammlung rief die Nürnberger Spruchkammer am 25. Oktober 1949 Drewes aus der Weihnachtsamnestie zurück und leitete eine erneute Aufnahme des Verfahrens gegen ihn ein.

Drewes Anwalt, Dr. Kurt Ziegler, verfasst eine 21-seitige Erklärung, in der die oben genannten Punkte bestritten und widerlegt werden (Ziegler, 02.12.1949). Außerdem sollen Entlastungsschreiben die Unschuld Drewes beweisen. Da Drewes zu dem Zeitpunkt kein Eigentum mehr besaß und bei seinen Verwandten leben musste, stellte sein Anwalt einen Antrag auf Armenrecht, der auch genehmigt wurde. Die Verhandlung fand am 05.01.1950 statt. Wegen der hohen Reisekosten der Zeugen, wurde in der Verhandlung auf diese verzichtet und stattdessen auf ihre schriftlichen Erklärungen zurückgegriffen. Geladen waren Kurt Rowinsky (krank) und Julius Kopsch als Zeugen der Anklage und Theodor Lang, Hans Joachim Moser, Heinz Tiessen und Werner Egk als Zeugen der Verteidigung. Am Abend desselben Tages verkündete der Vorsitzende der Spruchkammer Nürnberg, dass das Verfahren gegen Drewes eingestellt wird.


Eidesstattliche Erklärungen: Prof. Heinz Tiessen 24.05.1946 und 22.11.1949, Heinz Tietjen 12.08.1947, Dr. Siegfried Gosslich 19.11.1949, Dr. Gerhart von Westerman 23.11.1949, Dr. Theodor Lang 14.11.1949, Werner Egk 04.03.1947 und 22.11.1949, Prof. Dr. Hans Joachim Moser 28.02.1947, Thea Blum geb. Kluge 21.10.1947, Paul Wibral 25.02.1947, Karl Elmendorff 02.08.1947, Vilmar Hansen 15.08.1947, Bruno Vondenhoff 26.05.1946, Alice Strauss geb. Grab, Erhard Schubert 09.07.1946, Studienrat Sprengler 16.02.1948, Hans Friedrich 09.08.1947, Maria Kalbe 18.10.1947.


Bestätigungen: Dr. Gerhart von Westerman 08.04.1947, Prof. Heinz Tiessen 24.05.1946, Prof. Heinrich Schachtenbeck, Margarete Schwenk 05.07.1946.


Leben nach 1945

Er überlebte den Krieg und kehrte anschließend nach Berlin zurück. Nach seiner Entnazifizierung lebte er ab Juni 1946 in Nürnberg, wo er als Dozent am Nürnberger Konservatorium lehrte und Musikkritiken für das Nürnberger Abendblatt schrieb.

Diskussion – Rezeption – Forschungsbedarf

Die Archivalien zu Drewes Entnazifizierungsverfahren werden im Staatsarchiv Nürnberg aufbewahrt. Die Sichtung der die Person betreffenden publizistischen oder archivalischen Überlieferungen sind noch nicht abgeschlossen. In letzter Zeit ist das Interesse an der Person Drewes gewachsen. Da eine Biographie über Heinz Drewes noch nicht vorhanden ist, sollte seine Macht und Wirkung im musikpolitischen Apparat des NS-Regimes noch erforscht werden.

Ämter und Mitgliedschaften

  • 1930 Mitglied in der NSDAP
  • 1937 Leiter der Abteilung X im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda
  • 1937 Vizepräsident und Mitglied des Präsidialrates der Reichsmusikkammer
  • 1937 Mitglied des Reichskultursenats
  • 1938 Leiter der Reichsmusikprüfstelle
  • 1939 Vorsitzender der Auslandsstelle für Musik
  • 1940 Leiter der Reichsstelle für Musikbearbeitung
  • 1942 Präsident der Deutschen Sibelius-Gesellschaft e.V.

Schriftzeugnisse

Bücher

  • Maria Antonia Walpurgis als Komponistin, Borna-Leipzig 1934

Aufsätze

  • Die neuen Aufgaben der Oper und Operette. Praktischer Versuch eines deutschen Spielplanentwurfes, in: Der Nationalsozialist, 16.08.1933
  • Geleitwort zu den Düsseldorfer Reichsmusiktagen 1938
  • Geleitwort zur Magdeburger Gaumusikwoche 1938
  • Geleitwort zum Frankfurter Internationalen Musikfest 1939
  • Geleitwort zu den Düsseldorfer Reichsmusiktagen 1939
  • Bericht zur Tätigkeit der Reichsstelle für Musikbearbeitungen (Jahr?)
  • Geleitwort im Jahrbuch der deutschen Musik 1943
  • Geleitwort im Jahrbuch der deutschen Musik 1944

Sekundärliteratur

  • Okrassa, Nina (2004): Peter Raabe. Dirigent, Musikschriftsteller und Präsident der Reichsmusikkammer (1872-1945), Wien, Köln und Weimar.
  • Prieberg, Fred K. (2004): Handbuch Deutscher Musiker 1933-1945, CD-Rom-Lexikon, Kiel, S. 1237 - 1249.
  • Klee, Ernst (2007): Art. "Heinz Drewes", in: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich - Wer war was vor und nach 1945, Frankfurt a. M., S. 108.
  • Thrun, Martin (2015): Führung und Verwaltung. Heinz Drewes als Leiter des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda (1937-1944), in: Die Reichsmusikkammer. Kunst im Bann der Nazi-Diktatur, hrsg. v. Albrecht Riethmüller und Michael Custodis, Köln, Weimar und Wien.


Quellen aus dem Bundesarchiv Berlin:

  • BArch NS 5-VI/1767 (Sammelakte RMK)
  • BArch R 55/23100 (Personalakte)
  • BArch R 9350/1221 (Zeitungsausschnitte)

Quelle: Entnazifizierungsakte Heinz Drewes: Spruchkammer V, Nürnberg, AZ. 5051.9-674, Staatsarchiv Nürnberg, D–118

Autor

Theodora Oancea (2019, aktualisiert am 18. September 2019)


Empfohlene Zitierweise

Theodora Oancea, Artikel “Heinz Drewes“, in: Kollaborateure – Involvierte – Profiteure. Musik in der NS-Zeit, hrsg. von Rebecca Grotjahn, Universität Paderborn / Hochschule für Musik Detmold, 2019. URL: https://musik-in-der-ns.zeit.uni-paderborn.de/index.php/Heinz_Drewes


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