Präambel

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Musik in der NS-Zeit. Kollaborateure – Involvierte – Profiteure

Die Online-Plattform „Musik in der NS-Zeit. Kollaborateure – Involvierte – Profiteure“ macht es sich zur Aufgabe, die individuellen Werdegänge derjenigen Personen wissenschaftlich aufzuarbeiten, die in den Musikbetrieb der NS-Zeit eingebunden gewesen sind. Nur in wenigen Fällen handelt es sich bei diesen Personen um Täter im Sinne einer juristischen Verurteilung. In umfangreichen Personalartikeln werden vor allem die Biographien derjenigen dargestellt, die nicht „Opfer“ waren, die nicht im Widerstand, im Untergrund oder Exil lebten, sondern stattdessen aktiv am Kulturleben der NS-Zeit teilgenommen haben. Es geht um diejenigen, die Konzerte dirigierten, komponierten, publizistisch tätig waren oder leitende Funktionen im NS-Musikbetrieb innehatten, die also durch ihre Mitarbeit und Kooperation berufliche oder finanzielle Vorteile genossen.

Eine der wichtigsten Leitlinien dieser Aufarbeitung ist das Prinzip der historischen Verantwortung. Demnach ist das Ziel nicht, mit den hier bereitgestellten Artikeln die Schuld einzelner Personen in den Fokus zu setzen, sondern durch eine möglichst umfassende Darstellung ein Täter-Opfer-Kollektiv als Ganzes erkennbar werden zu lassen. Schuld zu ermessen ist nicht unser Anliegen. Der Täter-Opfer-Dualismus wird vielmehr differenziert gespiegelt, immer unter dem Wissen, dass es viel „dazwischen“ gegeben hat. Dabei soll allerdings einer Nivellierung und Relativierung der Diskrepanz zwischen Opfer und Täter, wie sie im Historikerstreit der 1980er Jahre diskutiert wurde, entgegengewirkt werden. Diese Form der Revision, die nicht mehr zwischen victim (die, die unter dem Regime und dem Krieg litten) und sacrifice (die, die für das Land Opfer gebracht haben) unterscheidet, wird vermieden. Wesentlicher Teil der Opferidentität ist die sie implizierende Täterschaft. Letztere auszuklammern heißt auch, eine solche Identität in Abrede zu stellen. Wir gehen demzufolge der Frage nach, was die Handlungen der mit dem Regime kollaborierenden Musiker*innen, Dirigenten, Komponisten und Bürokraten etc. bei denjenigen ausgelöst haben, die entlassen oder verfolgt wurden und deren Musik als „entartet“ herabgewürdigt wurde. Damit dies gelingt, ist es wichtig, die kulturpolitischen Strukturen des NS-Systems und die Personen, die hinter diesen gewirkt haben, aufzudecken. Machtstrukturen in der NS-Politik werden deutlich, wenn es darum geht, die Vernetzungen einzelner Personen und politischer sowie kultureller Organe untereinander sichtbar zu machen. Diese Strukturen wurden geprägt durch nationalsozialistische Polykratie: Konkurrierende Dienststellen und Sonderbehörden, die den bestehenden kommunalen Einrichtungen Kompetenzen entzogen, führten zu Unklarheiten bezüglich der jeweiligen Zuständigkeiten. Auch die Partei forderte z.B. durch Alfred Rosenberg (als Gegenspieler von Joseph Goebbels) oder Robert Ley, als Leiter der Deutschen Arbeitsfront (DAF), ein Mitspracherecht in musikpolitischen Fragen.


Struktur der Website

Besonderes Augenmerk der Artikel ist es, die Vernetzung der Personen bis hinein in die Entnazifizierungsverfahren darzustellen und über ihre individuellen Werdegänge während, aber auch nach der NS-Zeit aufzuklären. Darüber hinaus vermitteln sie einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand und verstehen sich als möglicher Ausgangspunkt für künftige Forschung.

Ergänzt werden die Personenartikel um kurze Sachartikel zu verschiedenen Einrichtungen und Organisationen, die Aufschluss geben über die in den Personenartikeln thematisierten kulturpolitischen Kontexte.

Die Biographien über Personen, die nur zeitweise involviert waren und dann in Ungnade fielen oder emigrierten, wurden bewusst nicht ausgeklammert, denn sie sagen einiges über das Zerrissensein der Menschen aus, die aus unterschiedlichen Gründen in die NS-Kulturpolitik involviert gewesen waren.


Die Kriterien für die Auswahl der darzustellenden Personengruppe lauten:

· Hat die Person in Organisationen eine Funktion erfüllt?

· Hat sie sich publizistisch betätigt und wenn ja, in welcher Form?

· Wurde sie finanziell gefördert?

· Habt sie das Regime verherrlicht?


Die Website versteht sich als work in progess und wird nach und nach erweitert. Für viele der genannten Personen liegen lediglich Basisdaten vor. Sofern Sie Interesse haben, einen Personen- oder Sachartikel zu verfassen, melden Sie sich bitte unter: musikindernszeit@upb.de. Sie erhalten dann nähere Informationen zum Prozedere und Redaktionsrichtlinien.